Frauen sollen in Führungspositionen – aber wie?

 

Die Diskussion über die Frauenquote in der Führungsmannschaft eines Unternehmens hat zumindest gedanklich das ein oder andere bei den Unternehmensentscheidern bewirkt. Es wurden Diversity Abteilungen ins Leben gerufen, d.h. Abteilungen, die sich um die Gleichstellung und Berechtigung der Frauen und Minderheiten einsetzen. Projektteams gebildet, die sich mit dem Thema Frauen in Managementpositionen befassen und nicht zuletzt die Personalabteilung angewiesen verstärkt Frauen zu fördern. Wenn hinter den genannten Aktivitäten ernsthaftes Interesse anstelle von Prestige und Imagepflege steckt, so kann man durchaus behaupten, dass dies ein positives Signal ist.

Doch warum hat sich seither so wenig bewegt? Fairerweise sollte kritisch hinterfragt werden, ob ein derartiger Kurswechsel schlichtweg einfach mehr Zeit braucht. Schließlich handelt es sich hierbei um ein umfassendes Change Management Projekt. Nehmen wir diese Art von Organisationsentwicklung und Veränderung mal genauer, mit einem Beispiel aus der Praxis, unter die Lupe. Ein Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt mehr Frauen, sagen wir einen Gesamtanteil von 30%, in Führungspositionen zu bringen. Das Ziel soll so schnell wie möglich umgesetzt werden, da die Unternehmensentscheider nicht nur einen Prestigvorteil sehen, sondern auch die Vorteile eines heterogenen Managements erkannt haben. Aus diesem Grund wird ein Zeitfenster für die nächsten 3- 5 Jahre veranschlagt. Das bedeutet es ist ein mittelfristiges Unternehmensziel. Die Strategie steht, jetzt geht es an die Umsetzung. Es werden Gleitzeitmodelle eingeführt, Homeoffice ermöglicht und ein Menortingprogramm für weibliche Führungskräfte ins Leben gerufen. Alles Maßnahmen, die der Zielerreichung dienen.

Nach einem Jahr das erste Projektcontrolling. Mit Ernüchterung stellt man fest, dass nur eine geringe Anzahl der Frauen im Mentoring-Programm aufgenommen werden konnten, weil aus Sicht der Entscheider nur Wenige Potenzial haben und weil sich nicht viele Frauen beworben hatten. Auch das Gleitzeitmodell und das Homeoffice haben im ersten Jahr nach der Einführung nicht dazu beigetragen, dass die Projekt- und Managementteams heterogener geworden sind. Die Unternehmensleitung kann sich das nicht erklären und befragt mittels eines Fragebogens Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Ergebnisse sind verwirrend. Aussagen wie „die Frauen konnten nicht an wichtigen Meetings teilnehmen“, „im Mentoring-Programm werde ich schlicht mit den Attributen der Männer verglichen“, „die Frauen müssen sich verändern. Sie sind in Gesprächen zu nachgiebig“, „ich möchte die Möglichkeit haben zwischen unterschiedlichen Karriereoptionen zu wählen“ werden mehrfach zum Ausdruck gebracht. Wie deutlich zu erkennen ist, herrscht Frust bei den Männern und bei den Frauen als auch nach der Auswertung bei der Unternehmensführung. Ratlosigkeit und Kritik macht sich breit. Was tun? Das Unternehmen steht vor der Entscheidung nachzubessern oder das Projekt zu beenden.

Was würden Sie an der jetzigen Stelle tun?

In dem spannenden Artikel „Geschlossene Gesellschaft? Wie Organisationen sich für Frauen öffnen können“ aus der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung, wird sich genau dieser Thematik angenommen. Die Gründe für das Scheitern von Projekten, die Frauen fördern sollen, sind so vielfältig wie das Leben selbst. Gerade das macht es der Unternehmensführung so schwer. Denn es geht hierbei nicht um Projekte, sondern es geht um tiefgreifende organisatorische Abläufe und um die Verknüpfungen in unserem Kopf, wie wir den Typus Karrieremensch sehen. Eine Change Management Aufgabe mit vielen Herausforderungen.

Schauen wir uns zuerst die Ausschlussmechanismen der Organisation an.

Forschungen haben nachgewiesen, dass innerhalb einer Organisation Mechanismen entstehen können, die verstärkt zur Homogenitätsbildung auf der Managementebene führen. Ohne dass es den männlichen Führungskräften bewusst ist, wählen diese immer wieder den gleichen Männerführungstypus nach Ihrem Prinzip und eigenen Attributen der Passfähigkeit aus. Dies geschieht zum Teil auch in den ach so objektiven Assessmentcentern. Ich möchte damit nicht polemisch wirken, aber beim genaueren Hinschauen ist an der Aussage „was dran“. Um eine geeignete Stellenbesetzung zu erzielen werden sogenannte Anforderungsprofile erstellt, in denen genau festgehalten wird, was der Bewerber für fachliche und persönliche Eigenschaften mitbringen sollte (z.B. Durchsetzungsstärke, Belastbarkeit, Ergebnisorientierung). Viele der dort beschriebenen Eigenschaften fördern geschlechterstereotypische Wahrnehmungsmuster und werden häufig mit männlichen Eigenschaftsmerkmalen assoziiert. Am Ende kann es dazu führen, dass bei gleicher Qualifikation und Leistung der männliche Kandidat unbewusst bevorzugt wird (Krell 2011). Die Wahrnehmung von weiblicher Führungskompetenz ist in den Köpfen noch immer nicht so klar, wie von männlichen Managern, die durch eine Vielzahl von männlichen Vorbildern geprägt ist.

Zusätzlich zur eigenen Interpretation von Führungsattributen kommen die Karriereanforderungen und Karrierewege innerhalb der Organisation zum Tragen. Obwohl häufig Anforderung und Karriereweg transparent sind, gelingt es nicht, Frauen ins obere Management zu bringen. Transparenz und Klarheit sind zwar ein guter Anfang, genau wie bei unserem Beispiel, aber es hilft nicht die tatsächliche, nachhaltige Umsetzung voranzutreiben. Denn das Prinzip der Karriereleiter ist häufig ein „Friss oder Stirb“ ein „Ganz oder Gar nicht“. Soll heißen, die Karrierewege in Unternehmen sind oftmals zu linear. Frauen ist es in den seltensten Fällen möglich, durch temporäre Auszeiten aufgrund Familienplanung, steil nach oben zu kraxeln. Frauen brauchen die Möglichkeit auch eine Verweildauer auf der aktuellen Position zu beanspruchen oder eben mal auf eine Projektposition zu gehen. Solche „Verschnaufpausen“ auf dem Weg ins obere, geschweige denn ins Top Management sind faktisch in Unternehmen kaum möglich. Einmal pausiert und von dem Weg der Führungsverantwortung abgekommen, wird es schwer, gar fast unmöglich wieder in den Trampelpfad der Führungslemminge zukommen. Das ist ganz klar ein strukturelles Problem in Organisationen.

Wie auch in der Auswertung des Fragebogen zu erkennen war, gibt es im Berufsalltag die Anforderung der Verfügbarkeit oder der persönlichen Meetings im Unternehmen. Gleitzeiten werden zwar eingeführt, Homeofficeaktivitäten bewusst gewollt, aber wenn es dann darum geht, dass ein Meeting verschoben werden soll, damit es eben nicht am Homeofficetag der Frau stattfindet, hört das allgemeine Verständnis oft auf. Auch ein Meetingtermin am späten Abend sollte doch kein Problem sein? Familenverantwortung kommt NACH der Organisationsverantwortung, oder?

Was die Organisation dagegen tun kann, fragen Sie sich? Zu Recht kommt an dieser Stelle die leise Vorahnung auf, dass es ja eigentlich die Kollegen und Menschen in Organisationen sind, die diese Stigmatisierung vorantreiben. Die Organisation kann dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter für solche Themen sensibilisiert werden, dass eine Unternehmenskultur der Offenheit und Toleranz herrscht. Dies geht bekanntlicherweise nicht durch „Verordnung von Oben“, aber es geht durch positives Vorleben und immer wieder thematisieren.

Ein weiteres Hindernis für Frauen ist, dass je höher die zu besetzende Stelle auf der Hierachieebene eingegliedert wird, desto schwieriger wird es da ran zu kommen. Bei einer gewissen Hierachieebene werden die formalen Auswahlprozesse individuell entschieden. D.h. häufig wird der Bewerber aus dem Netzwerk der bestehenden Management-Mitglieder „rekrutiert“. Zu erkennen ist auch, dass vermehrt das eloquente Auftreten der Person im Vordergrund steht und die fachliche sowie persönliche Qualifikation in den Hintergrund gedrängt wird (Morner 2012). Auch werden prestigreichere Projekte, sogenannte „hot jobs“, nicht chancengleich zwischen Männer und Frauen verteilt, so eine Catalyst Studie von 2012.

Kommen wir auf unser Beispiel zurück, wo es weiterhin darum geht, wie ein Unternehmen in eine erfolgreiche Umsetzung kommt.

Die Vorteile einer stringenten Umsetzung liegen klar auf der Hand. Mehr Frauen in der Führungsetage bedeutet:
• Unterschiedliche Perspektiven und Herangehensweisen, senken das Risiko von               Managementfehlentscheidungen
• Langfristige Bindung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Sicherung eines Wettbewerbsvorteils

Basierend auf den Artikel von Dr. Edding, Dr. Erfurt Sandhu und Dipl. Psych. Geppert werden nachfolgende Handlungsempfehlungen als erfolgsversprechend identifiziert.Handlungsempfehlung Gender Diversity

Diese Art von Projekt ist ein typisches Change Management Projekt, welches hoch anspruchsvoll und langwierig ist. Die Umsetzung von Gleichstellungsprogrammen ist eine Herausforderung und bedarf ein klares unternehmerisches Bekenntnis, sowie eine klare Positionierung zu diesem Vorhaben.

Gehen Sie davon aus, dass Sie auf hartnäckige Widerstände treffen, deren Menschen es zu überzeugen gilt. Frauen in Führungspositionen zu integrieren, bedeutet, eine mittelfristige Anstrengung, bei der es darum geht organisationale Muster zu verstehen, aufzubrechen und zu verändern. Am Ende wird es sich lohnen, dass Sie gute Überzeugungsarbeit geleistet haben, um die Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern zu fördern. Langfristig sichern Sie sich nicht nur hochqualifizierte weibliche Führungskräfte, sondern eine verbesserte Qualität des Führungsteams, eine stärkere Innovationskraft und umfassende Führungsentscheidungen.